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Allgemeinverfügung des Kreises Offenbach zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung des Corona-Virus im Landkreis Offenbach – Alten- und Pflegeheime

Allgemeinverfügung des Kreises Offenbach zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung des Corona-Virus im Landkreis Offenbach – Testnachweis Alten- und Pflegeheime


Aufgrund §§ 28 Abs. 1 S. 1, 2 i. V. m. § 28a Abs. 1 Nr. 15 Infektionsschutzgesetz (IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), zuletzt geändert durch Artikel 1, 2 des Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18.11.2020 (BGBl. I S. 2397), § 5 Abs. 1 des Hessischen Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst vom 28. September 2007 (GVBl. I S. 659), zuletzt geändert durch Gesetz vom 6. Mai 2020 (GVBl. S. 310) in Verbindung mit § 11 der Zweiten Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus (Corona-Einrichtungsschutzverordnung) vom 26. November, zuletzt geändert durch Artikel 2 der Dreiundzwanzigsten Verordnung zur Anpassung der Verordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus vom 14. Dezember 2020 (GVBl. S. 866) ergeht folgende

Allgemeinverfügung

Abweichend von bzw. ergänzend zu den Bestimmungen der Zweiten Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus (Corona-Einrichtungsschutzverordnung) vom 26. November gilt auf dem Gebiet des Landkreises Offenbach Folgendes:

1. Besucherinnen und Besucher von Einrichtungen nach § 1b Abs. 1 Nr. 1 und 2 Corona-Einrichtungsschutzverordnung zur Betreuung und Unterbringung älterer und pflegebedürftiger Menschen sind verpflichtet, ein aktuelles negatives Testergebnis in Bezug auf eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus (Antigen- oder PCR-Test) nachzuweisen. Der dem Testergebnis zu Grunde liegende Test muss die Anforderungen des Robert Koch-Instituts, die im Internet unter der Adresse https://www.rki.de/covid-19-tests veröffentlicht sind, erfüllen und entweder frühestens 24 Stunden vor dem geplanten Besuch oder unmittelbar vor dem Besuch durch die Einrichtung vorgenommen worden sein. Der Nachweis kann durch Vorlage des Testergebnisses auf Papier oder in einem elektronischen Dokument in deutscher Sprache geführt werden. Die Einrichtungsleitung kann im Rahmen des Sterbeprozesses Ausnahmen von der Pflicht nach Satz 1 zulassen, wenn anderweitige Schutzmaßnahmen getroffen werden. Im Übrigen bleiben die Bestimmungen des § 1b Corona-Einrichtungsschutzverordnung unberührt.


2. Diese Allgemeinverfügung tritt am Tag nach ihrer amtlichen Bekanntmachung in Kraft und gilt zunächst bis zum 10.01.2021. Eine Verlängerung bleibt vorbehalten.


Begründung:
Rechtsgrundlage für den Erlass der Maßnahme sind §§ 28 Absatz 1 Satz 1 und Satz 2 i. V. m. § 28a Abs. 1 Nr. 15 IfSG.

§ 28 Abs. 1 IfSG ist als Generalklausel ausgestaltet. Nach Satz 1 IfSG hat die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Nach Satz 2 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen einer größeren Anzahl von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen; sie kann auch Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind. Der am 19.11.2020 in Kraft getretene § 28a IfSG beinhaltet in Abs. 1 nicht abschließende Regelbeispiele und ergänzt und konkretisiert die Generalklausel des § 28 Abs. 1 IfSG. Die Nummer 15 des § 28a Abs. 1 IfSG konkretisiert diese Befugnisse insbesondere dahingehend, dass notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Absatz 1 Satz 1 durch den Deutschen Bundestag insbesondere die Untersagung oder Beschränkung des Betretens oder Besuches von Einrichtungen des Gesundheits- oder Sozialwesens sein können. § 28a Abs. 2 Nr. 3 IfSG regelt, dass die Untersagung des Betretens oder des Besuchs von Alten- und Pflegeeinrichtungen nur erlaubt ist, soweit auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit -2019 (COVID-19) erheblich gefährdet wäre. Schutzmaßnahmen nach § 28a Abs. 1 Nr. 15 dürfen nicht zur vollständigen Isolation von einzelnen Personen oder Gruppen führen; ein Mindestmaß an sozialen Kontakten muss gewährleistet bleiben, vgl. § 28a Abs. 2 S. 2 IfSG.

Gem. § 28a Abs. 3 S. 1 IfSG sind Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) nach § 28a Abs. 1 IfSG in Verbindung mit § 28 Absatz 1, nach § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 und den §§ 29 bis 32 IfSG insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auszurichten.

Die Landesregierungen werden über § 32 IfSG ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Die Hessische Landesregierung hat auf dieser Grundlage die Corona-Einrichtungsschutzverordnung in der derzeit gültigen Fassung erlassen. Die Corona-Einrichtungsschutzverordnung gehört zu einem umfassenden Regelungskomplex, mit dem die Hessische Landesregierung Maßnahmen gegen die weitere Verbreitung des SARS-CoV-2 ergriffen hat.

Die örtlich zuständigen Behörden bleiben gem. § 11 Corona-Einrichtungsschutzverordnung befugt unter Beachtung des „Präventions- und Eskalationskonzepts zur Eindämmung der weiteren Ausbreitung von SARS-CoV-2 in Hessen“ (Präventions- und Eskalationskonzept), auch über die Verordnung hinausgehende Maßnahmen anzuordnen.


Der Kreisausschuss des Landkreises Offenbach ist nach §§ 54 S. 1 IfSG, 5 Abs. 1, 2 Abs. 2 Nr. 1 HGöGD, 9 und 11 Corona-Einrichtungsschutzverordnung sachlich und nach § 3 Hessisches Verwaltungsverfahrensgesetz (HVwVfG) örtlich zuständige Behörde.

Auf eine Anhörung konnte gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 und 4 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetz verzichtet werden.

Durch den gemeinsamen Erlass des Hessischen Ministers des Inneren und für Sport sowie des Hessischen Ministers für Soziales und Integration vom 08.12.2020 wurde der Landkreis Offenbach angewiesen, das durch Beschluss der Hessischen Landesregierung vom 08.12.2020 fortgeschriebene Präventions- und Eskalationskonzept zur Eindämmung der weiteren Ausbreitung von SARS-CoV-2 bei Maßnahmen des Landkreises zur Eindämmung der weiteren Ausbreitung von SARS-CoV-2 zu beachten. Die im Präventions- und Eskalationskonzept getroffenen Maßnahmen werden für verbindlich erklärt. Das Präventions- und Eskalationskonzept wurde am 16.12.2020 weiter fortgeschrieben.


Nach Maßgabe des Präventions- und Eskalationskonzeptes sind ab kumulativ 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern innerhalb der letzten 7 Tage in einem Landkreis, einer kreisfreien Stadt, einer Stadt oder einem Ort mit zentralörtlicher Funktion in drei aufeinanderfolgenden Tagen daher weitergehende Maßnahmen zu ergreifen. Für die Besucherinnen und Besucher von Alten- und Pflegeheimen ist die Pflicht zum Nachweis eines aktuellen negativen Coronatests (Antigen- oder PCR-Test) anzuordnen.

Das Infektionsgeschehen auf dem Gebiet des Landkreises Offenbach ist weiterhin diffus und befindet sich unverändert auf einem hohen Niveau. Seit dem 11.12.2020 liegen die Zahlen durchgängig – mit Ausnahme des 18.12.2020 - über dem kritischen Inzidenzwert von 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern innerhalb der letzten 7 Tage. Am 19.12.2020 lag der 7-Tages-Inzidenzwert bei 217,5, am 20.12.2020 bei 216, 1 am 21.12.2020 bei 218,1. Der Landkreis Offenbach unterfällt damit der Stufe 6 (schwarz) des Präventions- und Eskalationskonzepts.

Die Situation in den Alten- und Pflegeheimen hat sich weiterhin nicht gebessert, auf die Pressemitteilung des Landkreises Offenbach vom 08.12.2020 (Corona: Lage in den Alten- und Pflegeheimen bleibt angespannt) wird insoweit verwiesen. Aktuell sind weiterhin – teilweise sehr ausufernde – Ausbruchsgeschehen in Alten- und Pflegeheimen zu verzeichnen.
Die angeordnete Maßnahme dient insbesondere dem Schutz der in den Alten- und Pflegeeinrichtungen lebenden Menschen. Die Möglichkeit des Hereintragens einer Infektion auch durch Besucher muss minimiert werden. Wie Besucherinnen und Besucher der im Gebiet des Landkreises liegenden Alten- und Pflegeheimen werden zum Nachweis eines aktuellen negativen Coronatests verpflichtet. Zur Vermeidung des Risikos eines unbemerkten Eintrags hat dies zur Folge, dass als Besucher oder Besucherin nur zugelassen wird, wer einen aktuellen negativen Coronatest (Antigen- oder PCR-Test) nachweisen kann. Alten- und Pflegeheime sind in ganz besonderem Maße durch die Pandemie gefährdet, weil in diesen Einrichtungen überwiegend Risikogruppen leben, die vor einem Eintrag des gefährlichen SARS-CoV-2-Virus geschützt werden müssen, weil bei ihnen die hohe Gefahr eines schweren oder gar letalen Verlaufs von COVID-19 besteht. Um den Eintrag von Infektionen in diesen sensiblen Bereich zu verhindern, sind Coronatests der Besucherinnen und Besucher notwendig. Die Erfahrungen der letzten Monate zeigen, dass ein Ausbruchsgeschehen mit SARS-CoV-2 innerhalb einer Einrichtung schwer zu kontrollieren ist und viele Menschenleben gefährdet. Jeder Besuch von außen birgt das potentielle Risiko eines Infektionseintrags in die Einrichtung.
Gleichzeitig soll nach der Wertung des § 28a Abs. 2 Satz 2 IfSG ein Betretungsverbot für diese Einrichtungen nicht zu einer sozialen Isolation führen. Zum Ausgleich dieser widerstreitenden Interessen ist eine Verpflichtung zu einem vorherigen Test für Besucherinnen und Besucher geeignet und gegenüber einem völligen - allerdings weitgehenderen Schutz vermittelnden - Besuchsverbot auch das mildere Mittel. Die Testpflicht der Besucherinnen und Besucher dient neben dem erhöhten Schutz der Bewohner auch dem Schutz des in der Einrichtung tätigen Personals.

Die getroffene Anordnung stellt ein wirksames Mittel zum Schutz der Gesundheit der Allgemeinheit und zur Aufrechterhaltung zentraler Infrastrukturen dar. Insbesondere sind keine weniger eingriffsintensiven Maßnahmen denkbar, die in vergleichbarer Weise geeignet und effektiv wären, um die weitere dynamische Ausbreitung des Virus zu unterbrechen. Unter Berücksichtigung all dessen sind die getroffenen Anordnungen geeignet, erforderlich und angemessen und darüber hinaus auch verhältnismäßig, um eine erneute Verbreitung und ein erneutes exponentielles Wachstum der Zahl von SARS-CoV-2-Infektionen zu verhindern.

Mit den in dieser Allgemeinverfügung getroffenen Anordnungen nutzt der Kreisausschuss des Kreises Offenbach als zuständige Gesundheitsbehörde das ihm zustehende Ermessen daher in rechtmäßiger Weise aus, zumal dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darüber hinaus auch durch die Befristung bis zum 10. Januar 2021 zusätzlich Rechnung getragen wird. Durch die Befristung der Maßnahme bis zum 10. Januar 2021 ist eine zeitnahe und fortlaufende Evaluierung von vorneherein gewährleistet. Gemäß dem aktuellen Präventions- und Eskalationskonzept sind die Maßnahmen zudem spätestens dann wieder aufzuheben, sobald der 7- Tages-Inzidenzwert fünf Tage in Folge unter 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern liegt.


Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach ihrer Bekanntgabe Klage bei dem Verwaltungsgericht Darmstadt, Julius-Reiber-Str. 37, 64293 Darmstadt erhoben werden.

Hinweise:
Eine Anfechtungsklage gegen diese Verfügung hat keine aufschiebende Wirkung (§§ 28 Abs. 3, 16 Abs. 8 IfSG). Die Allgemeinverfügung muss demnach auch befolgt werden, wenn gegen diese Klage erhoben wird.

Eine aufschiebende Wirkung kann nur durch eine entsprechende gerichtliche Entscheidung eintreten.

Zuwiderhandlungen gegen die verfügten Anordnungen können gemäß § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.



Dietzenbach, den 22.12.2020



Gez.
Oliver Quilling
Landrat